Dennis, vielen Dank, dass du bereit bist für dieses Interview. Stelle dich doch kurz vor…
Ich bin 25 Jahre alt und produziere in meinem Studio in Wiesendangen Musik.
Wir haben den Song «Carry Me Home» in den sozialpädagogisch betreuten Wohngruppen T-Home und unter dem Q-Arts-Label produziert. Wie hast du den Remix erstellt?
Wenn ein Song aufgenommen wird, hat er verschiedene Spuren wie Instrumente, die Stimmen und weiteres. Diese erhalte ich dann einzeln und ziehe sie in mein Programm. Dann mache ich meine Version des Songs daraus. Der Song «Carry Me Home» hat sich mega gut geeignet, weil ich den Refrain gehört und gleich gemerkt habe, der Song passt auf einen «four-on-the-floor»-Beat, der im Club gespielt wird.
Wie hast du den Inhalt des Songs erlebt?
Den Inhalt des Songs finde ich mega schön. Es sind viele verschiedene Stimmen von Sängerinnen und Sängern zu hören, da habe ich das Gemeinschaftsgefühl herausgespürt. Es haben viele Personen im Hintergrund mitgewirkt, und ich finde es sehr schön, dass dies dann zu einem einheitlichen Song geführt hat.
Im Song «Carry Me Home» geht es um das Thema nach Hause kommen, an einem Ort zuhause zu sein. Bei unseren Jugendlichen im Jugendheim T-Home der Quellenhof-Stiftung ist das ein riesiges Thema: Der Wunsch, dass sie irgendwo ein Zuhause haben, aber auch die Sehnsucht nach Hause getragen zu werden. Du hast selbst in Jugendheimen gelebt. Wie war das für dich?
Bei mir war dieses Thema auch stark präsent. Im Eintrittsgespräch vom damaligen Heim habe ich immer wieder gesagt, dass ich wieder nach Hause will. Ich hatte immer den Wunsch, zu meiner Mutter nach Hause zu gehen und ich habe auch nicht verstanden, wieso ich eigentlich nicht zuhause sein darf. Was stimmt nicht mit mir? Ich habe auch die Unterschiede bei den Sozialpädagogen erlebt: Bei einigen merkst du, wenn sie dich wie ein Objekt behandeln. Im Sinne von: Jetzt probieren wir mal dieses Medikament, jetzt machen wir mal das. Und dann gibt es Sozialpädagogen, die versuchen eine Beziehung aufzubauen. Und mit diesen habe ich es am ehesten als ein Zuhause empfunden, wenn ich das Gefühl hatte, ich habe Menschen um mich herum, die auch Fehler machen, aber mich nicht herumkommandieren.
Irgendwann ist dann die Zeit im Heim vorbei, man müsste erwachsen werden. Wie ist das für dich gewesen?
Ich habe es als chaotisch empfunden. Bei mir gab es einen Unterbruch in meiner siebenjährigen Heimzeit. Es gab den Versuch, dass ich in eine normale Sekundarschule in Winterthur gehe und ich wohnte dann wieder zuhause. Wenn du im Heim einmal die Schule schwänzt, dann bekommst du Zimmerarrest. In der normalen Schule ist es nicht normal, dass einer einfach ein halbes Jahr lang die Schule schwänzt. Und ich war mir aus dem Heim gewohnt, dass ich mir fast alles erlauben kann, und ich hätte dies das erste Mal aufgeben müssen. Und bevor ich das überhaupt konnte, bin ich dann schon wieder im nächsten Heim gelandet.
Kurz vor meinem 18. Geburtstag bin ich endgültig aus dem Heim ausgezogen. Ich hatte selbst irgendwann einfach die «Schnauze voll», weil ich von einer Institution in die nächste kam. Und irgendwann war es eine geschlossene Institution und ich konnte wirklich nicht mehr raus. Und dann merkte ich, dass ich das gar nicht bin. Ich mache das Ganze, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Also die ganzen «Troubles», die ich angerichtet habe. Es ist nicht so, dass ich im Laden etwas hätte klauen müssen. Ich habe mir insgeheim gewünscht, dass ich Aufmerksamkeit von allen bekomme. Und dann habe ich das aufgegeben. Ich möchte an dieser Stelle meine Mutter loben, dass sie so einen langen Atem hatte. Vor kurzem bin ich ausgezogen. Sie hat mich immer mega unterstützt in allen Belangen. Das Thema Musik hat sich durch meine ganze Heimzeit gezogen. Und meine Mutter hat das mega supportet. Ohne sie hätte ich das Ganze nicht machen können. Ein Riesendank an sie. Und nun habe ich gelernt, mir die Aufmerksamkeit durch Positives zu holen. So wie alle. Ich probiere etwas Gutes zu machen, Musik herauszugeben und erhalte darüber Anerkennung.
Du machst sehr erfolgreich Musik. Deine Begabung konnte wachsen. Hat dich dieser Traum durch die schwierigen Zeiten getragen?
Es war immer in meinem Hinterkopf, ich wollte sowieso nur Musik machen. Es war mein Traum von der Musik zu leben. Mit 15 Jahren habe ich immer davon geredet, ich wolle Strassenmusik machen und dann dachte ich, ich mache einmal eine Website und verkaufe darüber meine Produktionsdienstleistungen. Es ist mittlerweile schon lange so, aber in der Realität ist es nicht ganz so einfach gewesen. Eigentlich habe ich meine Kindheitsträume schon übertroffen. Ich bin selbst mega gespannt, wo mich der Weg noch hinführt.
Was kannst du anderen Jugendlichen und jungen Erwachsenen weitergeben, die in ähnlichen Situationen sind, zum Beispiel in unserem Jugendheim T-Home und vielleicht auch bald aus dem Heim ausziehen?
Ich habe das Privileg, dass ich eine mega tolle Familie habe. Es gibt aber sicher auch Jugendliche, die keine solche Unterstützung haben. Ich würde raten, dass man die Beziehung zu einer Person, die etwas Halt gibt, wertschätzt, sei das eine Grossmutter, ein Onkel oder die Mutter. Und dass man diese Beziehung immer gut pflegt und nicht nur darauf achtet, was man nicht hat. Mir persönlich hat auch die Musik sehr geholfen. Psychotherapie finde ich enorm wichtig und dass man hartnäckig dranbleibt, wenn man ein psychisches Problem hat. Nicht aufgeben, wenn die eine Hilfe nicht passt, dass man dann weitersucht. Dies kann mega helfen. Es ist aber gut, wenn man noch irgendwo anders einen Halt findet, wo man nicht von jemandem abhängig ist – sei das Zeichnen, Sport oder eben die Musik.
Vielen Dank Dennis, Künstlername Genemo, für deine Offenheit.
Weitere Informationen finden Sie auf der Website von Dennis Liechti: