Alkohol half mir zu vergessen

Barbaras Kindheit und Jugend waren geprägt von Mobbing und einem schwerwiegenden Unfall. Die Auswirkungen waren wie lange dunkle Schatten, die sich auf ihr junges Leben legten. Aber in den schwierigsten Momenten träumte Barbara von Gottes Händen.

„Ich wurde 1985 geboren. In der Schule war ich nie beliebt und nirgends fand ich Freunde. Weder Elterngespräche noch das Eingreifen der Lehrer konnten meine Lage verbessern. Mit 16 begann ich eine Lehre als Zimmerin. In der Berufsschule erntete ich viel Lob, weil ich das einzige Mädchen und erst noch die Beste war. Im zweiten Lehrjahr erlebte ich einen Tag, den ich nie vergessen werde: Ich war mit H., einem anderen Zimmermann, an der Arbeit. In einer viel zu langen Arbeitspause diskutierten wir über unsere Arbeitsbedingungen und H. trank derweil viel Bier. Als wir die Arbeit wieder aufnahmen, blieb er mit einer Latte an einem Balkonpfosten hängen und fiel rückwärts vom ersten Stock. Er landete direkt auf der Stirne und blutete aus Nase, Mund und Ohren. Ich leistete erste Hilfe, so gut ich das konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam die Ambulanz. Ich war total von der Schiene. Innert einer Stunde rauchte ich 20 Zigaretten! Dabei hatte ich ein halbes Jahr vorher mit Rauchen aufgehört. Nachdem ich bei der Polizei ausgesagt hatte, brachte mich mein Lehrmeister heim und gab mir die nächsten Tage frei. H. starb noch auf der Unfallstelle.

Eine Vision half mir

Später plagten mich Zweifel, ob ich denn alles richtig gemacht hatte. Da wurde mir eines Nachts eine Vision geschenkt: Ich träumte diesen Unfall nochmals in allen Einzelheiten durch und sah währenddessen schwebende Hände über und unter mir. Immer waren diese Hände da. Diese Vision gab mir die feste Gewissheit, dass Gott da war und mich keine Schuld plagen muss.
Ich wollte die Lehre fertig machen, doch mein psychischer Zustand liess das nicht mehr zu. Das Lehrverhältnis wurde aufgelöst und ich wollte die mir angebotene psychologische Beratung nicht annehmen. Stattdessen fand ich im Alkohol einen „Helfer“. Weil ich arbeitslos war, hing ich bald mit neuen, ebenfalls arbeitslosen Kollegen herum und trank. Später machte ich einen Servicelehrgang und servierte temporär. Manchmal nahm mich mein Papi mit, der selbständig erwerbender Chauffeur ist. In meiner ersten eigenen Wohnung herrschte das reinste Chaos und bald schon konnte ich die Miete nicht mehr bezahlen. Dort sah ich auch ein, dass ich ein Alkoholproblem hatte.

Altlasten tauchten auf

Das stabile Umfeld in der Entzugsklinik bewirkte, dass mein Verlangen nach Alkohol wie weggeblasen war. Nach sechs Wochen musste eine Anschlusslösung gefunden werden. Der Versuch in einer Wohngruppe misslang, weil ein anderes altes Problem auftauchte: Ich klaute wieder Geld. Ich habe in dieser Zeit sehr vielen Leuten geschadet, was ich heute bitter bereue. Ich hatte immer ein Problem mit Geld. Als meine Diebstähle entdeckt wurden, gab ich es zu und entschuldigte mich mit Briefen bei den Personen, die ich geschädigt hatte. Dies erleichterte mich sehr. Einmal wurde auch mir Geld gestohlen, was heilsam war. Nun wusste ich, wie es sich anfühlt, bestohlen zu werden. Ich schwor mir, nie mehr zu stehlen.

Dann begann ich – zwar widerstrebend aber irgendwie doch einsichtig – die empfohlene Therapie im Quellenhof. Es war für mich eine echt harte, aber gute Zeit. Man gab mir dann die Chance, innerhalb der Quellenhof-Stiftung eine kaufmännische Lehre zu absolvieren. Da ich von einem Unfall eine deformierte Kniescheibe (Dysplasie) hatte, zahlte die IV mir die Ausbildung als Umschulung. Auch wenn ich während der Lehre noch viele persönliche Stürme zu meistern hatte, bestand ich am Ende die Abschlussprüfung sehr gut. Später arbeitete ich im Rahmen eines Beschäftigungsprogrammes vier Monate in einer Firma, wo ich auch Transportfahrten machen konnte. Ich habe gemerkt, dass Fahrerblut in mir fliesst. So bewerbe ich mich nun auch als Fahrerin und träume von der Lastwagenprüfung. Wichtig ist, dass ich bald eine Arbeitsstelle finde und zeigen kann, was in mir steckt.“