Der Einstieg in die Arbeitswelt – eine Gratwanderung

Der Übergang von der Schule ins Berufsleben gehört zu den wichtigsten Erfahrungen eines Jugendlichen. Der Einstieg in die Arbeitswelt ist schon für gesunde junge Menschen eine Herausforderung ; aber vielmehr noch ist er es für solche mit handfesten psychischen oder sozialen Problemen.

 

Beendete Lehrverhältnisse in der Quellenhof-Stiftung 1996 – 2015 : Erfolgsquote 53 %

In der Quellenhof-Stiftung haben wir theoretisch intern 21 und extern 9 Lernende in Ausbildung. Meistens handelt es sich dabei um Jugendliche, die auf dem Arbeitsmarkt infolge ihrer vielschichtigen Probleme kaum eine Chance hätten.

Therapie oder Lehre ?

Die meisten unserer Lernenden stehen infolge ihrer gesundheitlichen Einschränkungen mehr oder weniger intensiv in einem therapeutischen Prozess drin. Da stellt sich die Frage, ob das der Zeitpunkt ist, um überhaupt eine Lehre zu beginnen. Denn beide Felder – Therapie und Lehre – fordern stark. Wer es nicht schafft, sich auf beides einzulassen, dessen Chance ist hoch, zu scheitern. Was hat nun Vorrang ? Die Gesellschaft fordert nach der Schule den Einstieg ins Berufsleben. Doch manch­mal nehmen die persönlichen und gesundheitlichen Probleme so viel Raum ein, dass es für die Lehre nicht mehr reicht.

Wir haben es teilweise mit hochintelligenten Jugendlichen zu tun, aber auch mit solchen, die sozial verwahrlost sind. Wir haben solche mit diagnostizierten psychischen Krankheiten, teilweise auch mit körperlichen Handicaps oder mit den Folgen von Suchtproblemen.

Viele Lehrabbrüche

In den letzten 12 Monaten waren wir aus diesen Gründen mit einer ganzen Reihe von Lehrabbrüchen konfrontiert. Das ist auch der Grund, weshalb von unseren total 30 Lehrplätzen aktuell nur 22 besetzt sind. Obwohl wir um jeden einzelnen Jugendlichen gekämpft haben, mussten wir uns von acht Lernenden trennen. Ein Hauptproblem sind die vielen Absenzen, die teilweise krankheitsbedingt, manchmal aber auch nicht ganz durchschaubar sind. Wenn ein Jugendlicher in der Gewerbeschule mithalten kann, kann man etwas länger zusehen. Wenn jedoch das ganze Ausbildungsprogramm rasch und ­immer stärker ins Hintertreffen gerät, sagt oftmals auch die
IV – welche bei den meisten involviert ist – dass man so nicht mehr weitermachen kann. Wir setzen uns mit aller Kraft dafür ein, unseren Lernenden ein verständnisvolles, geduldiges Umfeld zu schaffen, doch es gibt auch einen grossen Teil, den die jungen Männer und Frauen bei allem Verständnis selber bringen müssen.

Fragen, die sich stellen

Bei uns wirft diese Häufung von Lehrabbrüchen natürlich Fragen auf. Müssen wir schon beim Auswahlverfahren etwas anders machen ? Hätte man diesen oder jene schon gar nicht in die Lehre aufnehmen dürfen ?
Ein Lehrverhältnis ist nicht nur für die Lernenden eine Gratwanderung, sondern auch für uns. Viele Beispiele von jungen Menschen, die es packen und im Laufe der Lehre eine wirklich tolle Entwicklung durchmachen, helfen uns, dass wir weiter machen und den Mut nicht verlieren.

Thomas Herzog
Fachstellenleiter Arbeit & Integration